Dienstag, 25. März 2014

2. Etappe - Schlimmer geht’s immer



Eins vorweg: Wir sind noch im Rennen. Aber der Reihe nach.
Gegen Mitternacht wecke ich auf, weil das Zelt zur Tropfsteinhöhle geworden ist. Ich hatte das schon gestern befürchtet. Warum besteht dieses dämliche Ding hier aus Innen- und Außenzelt, wenn sich doch beide überall berühren? Jedes Mal wenn ich fast wieder eingeschlafen bin, tropft es mir wieder ins Gesicht. Irgendwo habe ich mal von einer Foltermethode gehört, bei der dem zu Folternden in kontinuierlichen Abständen Wasser auf den Kopf tropft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis einen das in den Wahnsinn treibt. Als gegen zwei Uhr noch Windböen dazukommen gibt es Regenschauer im Zelt. Da ich mittlerweile sowieso ein Dixie brauche, entscheide ich mich raus zu wagen. Nur mit Unterhose und Kopflampe bekleide renne ich um den halben Zeltplatz. Ganz sicher ein Bild für die Götter, aber jetzt sieht das zum Glück keiner. Als ich nach einem nicht weiter erwähnenswerten Zwischenfall zurück am Zelt bin, versuche ich den Zeltaufbau zu optimieren. Nach wie vor in Unterhose und mit Kopflampe, versteht sich. Das Unterfangen stellt sich als aussichtslos heraus. Vier Ecken, vier Heringe – klar, dass die Außenhülle nicht straff zu bekommen ist. Ich kann mich also nur darauf beschränken, den Schaden in Grenzen zu halten. Mit Handtuch bewaffnet wird das Zelt (soweit wie möglich) vorübergehend trocken gelegt. Was für eine kluge Idee, hier den Daunenschlafsack mitzuhaben. Der reagiert ja ganz besonders gut auf Nässe. Ich schlafe noch einmal ein. Als ich gegen vier Uhr wieder aufwecke liege ich mehr oder weniger im Wasser – dumm gelaufen. Nach einem weiteren Trockenlegungseinsatz kann ich immerhin noch eine halbe Stunde bis zum Weckerklingen 4:45 Uhr weiterschlafen. Zum Glück ergeht es meinem Bruder etwas besser und er kann halbwegs Schlafen. Aber auch ich muss zufrieden sein mit der Nacht, denn: Schlimmer geht’s immer. Das Zelt diagonal gegenüber von uns ist zum Beispiel halb zusammengeklappt. Und dabei war das noch gar kein allzu schlimmes Unwetter.
Um 7 Uhr fällt der Startschuss für uns – nach wie vor bei Regen. Die ersten Kilometer im Pulk geht es durch viele tiefe Pfützen. Eine allerübelste Sauerei ist das heute. Leider wird Immanuel im dichten Gedränge in einen Fast-Sturz verwickelt und verliert den Anschluss zu mir, was ich wiederum nicht mitbekomme (sich Umzudrehen würde bei diesen Bedingungen auch ein unkalkulierbares Risiko bedeuten). Beim Versuch wieder heranzukommen, muss er auch heute wieder gleich zu Beginn in den roten Bereich. Wir befinden uns bei der ersten Verpflegung ca. auf Position 30. Ich fühle mich gut, aber nach 1,5 Stunden kommt bei Immanuel wieder der Mann mit dem Hammer kombiniert mit den Rückenproblemen von gestern. Wir fahren kontinuierlich weiter und versuchen den Schaden in Grenzen zu halten. Trotzdem geht Platz um Platz flöten. Auf den vielen Trails kann ich meinen Bruder auch kaum unterstützen. Zu allem Überfluss spielt die Technik an seinem Rad bald nicht mehr mit. Die Kurbel wird locker. Die hintere Bremse hat einen Kolbenklemmer und ein Bremsbelag ist schon nach reichlich der Hälfte bis aufs Metall durchgeschliffen. Ständig wird Immanuel von Kettenklemmern geplagt. Zweimal müssen wir den Umwerfer demontieren, um das Rad wieder lauffähig zu bekommen. Unser Ziel lautet nur noch Ankommen. Knapp 30 Kilometer vor dem Ziel tauschen wir unsere Räder. So hat Immanuel wenigstens ein halbwegs funktionsfähiges Rad, was es ihm etwas einfacher macht. Irgendwann sind wir tatsächlich im Ziel. Das Ergebnis (wir sind 106. auf der Etappe geworden und jetzt 59. im Gesamtklassement) ist uns völlig egal – Hauptsache durchgekommen.

Zieleinfahrt

Sebastian im Ziel

Immanuel ebenfalls


 Und: Schlimmer geht’s immer. Andere hat es heute noch viel heftiger erwischt. Manche sind gar nicht angekommen. Und jetzt scheint sogar noch die Sonne. Das ist auch dringend nötig, um die in der Nacht nass gewordenen Sachen zu trocknen.
Den Rest des Tages verbringen wir mit Wundenlecken. Nach der Reinigung von uns selbst geht es an die Instandsetzung der Räder. Von den Bremsbelägen ist bei keinem von uns beiden mehr viel übrig (und da fahren wir schon die haltbare Variante). Die Schaltzüge inklusive Außenhüllen können wir auch gleich komplett austauschen. Immanuels rechter Schalthebel hat eine derartige Schlammpackung, dass wir ihn komplett auseinandernehmen müssen. Bei den Federgabeln rührt sich auch nicht mehr viel, aber das muss jetzt für den Rest des Rennens so gehen. Das Problem ist der extrem feine Staub überall. Mit Nässe kombiniert gelangt dieser überall hin.
Gerade eben fängt es wieder an mit regnen … mal sehen, was die Nacht und der morgige Tag so bringen.

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