Freitag, 28. März 2014

5. Etappe - Erst Schweizer, dann Spanier

Immanuel an der Verpflegung
Ich ahnte es ja bereits: Dieser Blog-Eintrag wird interessanter werden als der Letzte. Es beginnt gestern Abend als wir einschlafen wollen. Alle umliegenden Zelte sind ganz klar von Schwiezern besetzt. Wir fühlen uns wie im gallischen Dorf. Der eine muss mal „goans intimsd mit seina Frua telafunüre“. Es wird lustig, Details spare ich mir aber. Einschlafen ist unmöglich, bis ich „oans, zwoa, trü, zisch“ höre. Dann ist das Bier auf und die Schwiezer sind ruhig. Die Nacht ist es ebenfalls. Ich schlafe sieben Stunden durch bis der Wecker 4:45 Uhr klingelt. Das ist schon mal deutlich mehr als die letzten Nächte. Entsprechend wach bin ich am Morgen. Ich fühle mich so gut erholt wie vor der ersten Etappe. Dazu trägt wahrscheinlich auch die Massage von gestern bei. Am Start merke ich, dass die Beine heute unbegrenzte Leistung zur Verfügung zu stellen scheinen. Wir haben schon vor Beginn der Etappe entschieden, dass wir heute schneller losfahren. Das langsame Losfahren von gestern ist ja ziemlich in die Hose gegangen. Mit Immanuel im Schlepptau pflüge ich von Position 120 auf 1 durch. Die Führungsmeter müssen sein, denn heute habe ich die GoPro drauf. Vorne geht’s auf den folgenden Kilometern recht ruhig zu. An den ersten Hügeln wird es dann schneller und es entstehen immer wieder Lücken. Man sieht deutlich, dass auch viele der Profis ziemlich angeschlagen sind. Wir bleiben ganz vorne dran. Ich habe richtig Spaß und etwas zuckt es bei mir, jetzt mal richtig drauf zu treten - nur um zu sehen was passiert. Aber es gelingt mir, mich zusammen reißen. So reihen wir uns am ersten längeren Berg unter den besten 20 ein und Immanuel gibt das Tempo vor. Im anschließenden Trail müssen wir viele Teams passieren lassen. Immanuels Oberkörper ist völlig am Ende und er wird den ganzen Tag Probleme haben, wenn es holprig wird. Mein Bruder ist etwas sauer, weil er den ganzen Winter viel Oberkörper-Training absolviert hat und der Effekt ganz offensichtlich fehlt. Ich scheine dagegen mit meinen regelmäßigen „Baby-Lifts“ (ich schaffe mittlerweile ca. 100) ganz gut zu fahren. Am anschließenden Anstieg versuche ich Immanuel schiebenderweise zu unterstützen. Wir kommen ganz gut hoch. Der spanische Ex-Weltmeister Hermida, der als Outcast-Rider allein unterwegs ist, überholt uns. Immanuel scheint das zu motivieren. Jedenfalls fahren wir jetzt schneller. Ich bedanke mich artig beim Spanier, dass er allein durch seine Anwesenheit meinen Bruder motiviert. Wir machen noch ein kurzes Schwätzchen und er rät mir zu pokern und im richtigen Moment die Karten auszuspielen. Ich vermute, dass wir nicht das allerbeste Blatt haben, denn Immanuel hat schon etwas zu kämpfen. Aber wir kommen anständig über den Berg. Nach der schnellen Abfahrt kommen drei kurze, im Höhenprofil praktisch senkrechte Zacken. An den ersten beiden ist es im Grunde egal, ob man fährt oder schiebt. So nehme ich mir noch Immanuels Rad und renne hoch, während er sich erholen kann bzw. soll. Um uns sind einige Afrikaner herum, die entweder schieben oder fahren. Mit zwei Rädern in der Hand lasse ich sie stehen; leider aber auch Immanuel ohne Rad. Ich fühle mich als zweiter weißer Afrikaner nach Dieter Baumann. Vielleicht sollte ich mal mein Dontodent ins Labor nach Kreischa schicken? Aber wahrscheinlich lag es eher am Marmite-Toast an der ersten Verpflegung. Am letzten Zacken hört der Spaß auf. Uns überholt einer mit Augenbrauen wie Theo Weigel. Er hat seine Rückennummer, auf der man die Nationalität identifizieren könnte, nicht dran. Aber es ist klar erkennbar, dass es sich schon wieder um einen Spanier handelt. Er hat dummerweise sein rotes Tuch vergessen. „El toro“ zehn Meter rechts neben uns erkennt das und sieht seine Chance zur Revanche für die vielen im Stierkampf getöteten Kumpanen. Er beschleunigt. Als er Top-Speed erreicht hat, zweigt er im rechten Winkel nach links ab und senkt sein Haupt. Der Spanier scheint Erfahrung zu haben und springt nach links hinter sein Rad ab. „Krach!“, „el toro“ ist voll eingeschlagen, galoppiert nach links durch und verschwindet im Unterholz. Der Spanier hat Glück, weder er selbst noch sein Rad sind kaputt. Er springt wieder auf und fährt weiter. Das hat er souverän gelöst. Ich frage ihn noch mal schnell, ob er wirklich Spanier ist, was er bejaht. Wir lachen und es geht weiter. Eigentlich war das gerade kein Scherz, aber es ist noch mal gut gegangen. Leider war der Akku bei der GoPro schon alle, sonst könnte ich meinen ersten ganz großen YouTube-Erfolg landen. Nach der folgenden Abfahrt kommt der letzte Anstieg, der die 2900 Höhenmeter von heute komplettiert. Auf der ersten Hälfte zeigt Immanuel großen Kampfgeist. Wir haben ein ziemliches Tempo drauf und überholen wieder einige Teams. Leider geht es meinem Bruder im holprigen zweiten Teil des Berges nicht mehr besonders gut und wir müssen alle wieder passieren lassen. Die letzte Abfahrt ist ein Genuss mit tollen Trails und Anliegern am Ende. Leider geht es bei Immanuel hier nicht wirklich schnell voran, aber zumindest ich kann es genießen. Wir erreichen das Ziel nach 110 Kilometern auf Gesamt-Platz 41. Nicht schlecht - das hätte ich heute nicht für möglich gehalten. Ich bin stolz auf meinen Bruder, dass er sich bei der Bullenhitze heute so durchgebissen hat. Jetzt heißt es noch einmal regenerieren für die letzten zwei Etappen. Das Schlimmste sollten wir hinter uns haben, allerdings gibt es beim Cape Epic wohl keine leichten Etappen. Warten wir’s ab, was der morgige Tag bringt …
"Race-Village" in Elgin


2 Kommentare:

  1. Jungs, Euer Abenteuer fesselt uns Tag für Tag ein Stück mehr!
    Danke für die Lektüre.
    Ihr schafft das. Ride on!

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