Immanuel an der Verpflegung |
Ich ahnte es ja bereits: Dieser Blog-Eintrag wird
interessanter werden als der Letzte. Es beginnt gestern Abend als wir
einschlafen wollen. Alle umliegenden Zelte sind ganz klar von Schwiezern
besetzt. Wir fühlen uns wie im gallischen Dorf. Der eine muss mal „goans
intimsd mit seina Frua telafunüre“. Es wird lustig, Details spare ich mir aber.
Einschlafen ist unmöglich, bis ich „oans, zwoa, trü, zisch“ höre. Dann ist das
Bier auf und die Schwiezer sind ruhig. Die Nacht ist es ebenfalls. Ich schlafe
sieben Stunden durch bis der Wecker 4:45 Uhr klingelt. Das ist schon mal
deutlich mehr als die letzten Nächte. Entsprechend wach bin ich am Morgen. Ich
fühle mich so gut erholt wie vor der ersten Etappe. Dazu trägt wahrscheinlich
auch die Massage von gestern bei. Am Start merke ich, dass die Beine heute
unbegrenzte Leistung zur Verfügung zu stellen scheinen. Wir haben schon vor
Beginn der Etappe entschieden, dass wir heute schneller losfahren. Das langsame
Losfahren von gestern ist ja ziemlich in die Hose gegangen. Mit Immanuel im
Schlepptau pflüge ich von Position 120 auf 1 durch. Die Führungsmeter müssen
sein, denn heute habe ich die GoPro drauf. Vorne geht’s auf den folgenden
Kilometern recht ruhig zu. An den ersten Hügeln wird es dann schneller und es
entstehen immer wieder Lücken. Man sieht deutlich, dass auch viele der Profis
ziemlich angeschlagen sind. Wir bleiben ganz vorne dran. Ich habe richtig Spaß
und etwas zuckt es bei mir, jetzt mal richtig drauf zu treten - nur um zu sehen
was passiert. Aber es gelingt mir, mich zusammen reißen. So reihen wir uns am
ersten längeren Berg unter den besten 20 ein und Immanuel gibt das Tempo vor.
Im anschließenden Trail müssen wir viele Teams passieren lassen. Immanuels
Oberkörper ist völlig am Ende und er wird den ganzen Tag Probleme haben, wenn
es holprig wird. Mein Bruder ist etwas sauer, weil er den ganzen Winter viel
Oberkörper-Training absolviert hat und der Effekt ganz offensichtlich fehlt.
Ich scheine dagegen mit meinen regelmäßigen „Baby-Lifts“ (ich schaffe
mittlerweile ca. 100) ganz gut zu fahren. Am anschließenden Anstieg versuche
ich Immanuel schiebenderweise zu unterstützen. Wir kommen ganz gut hoch. Der
spanische Ex-Weltmeister Hermida, der als Outcast-Rider allein unterwegs ist,
überholt uns. Immanuel scheint das zu motivieren. Jedenfalls fahren wir jetzt
schneller. Ich bedanke mich artig beim Spanier, dass er allein durch seine
Anwesenheit meinen Bruder motiviert. Wir machen noch ein kurzes Schwätzchen und
er rät mir zu pokern und im richtigen Moment die Karten auszuspielen. Ich
vermute, dass wir nicht das allerbeste Blatt haben, denn Immanuel hat schon
etwas zu kämpfen. Aber wir kommen anständig über den Berg. Nach der schnellen
Abfahrt kommen drei kurze, im Höhenprofil praktisch senkrechte Zacken. An den
ersten beiden ist es im Grunde egal, ob man fährt oder schiebt. So nehme ich
mir noch Immanuels Rad und renne hoch, während er sich erholen kann bzw. soll.
Um uns sind einige Afrikaner herum, die entweder schieben oder fahren. Mit zwei
Rädern in der Hand lasse ich sie stehen; leider aber auch Immanuel ohne Rad.
Ich fühle mich als zweiter weißer Afrikaner nach Dieter Baumann. Vielleicht
sollte ich mal mein Dontodent ins Labor nach Kreischa schicken? Aber
wahrscheinlich lag es eher am Marmite-Toast an der ersten Verpflegung. Am
letzten Zacken hört der Spaß auf. Uns überholt einer mit Augenbrauen wie Theo
Weigel. Er hat seine Rückennummer, auf der man die Nationalität identifizieren
könnte, nicht dran. Aber es ist klar erkennbar, dass es sich schon wieder um
einen Spanier handelt. Er hat dummerweise sein rotes Tuch vergessen. „El toro“
zehn Meter rechts neben uns erkennt das und sieht seine Chance zur Revanche für die
vielen im Stierkampf getöteten Kumpanen. Er beschleunigt. Als er Top-Speed erreicht
hat, zweigt er im rechten Winkel nach links ab und senkt sein Haupt. Der
Spanier scheint Erfahrung zu haben und springt nach links hinter sein Rad ab.
„Krach!“, „el toro“ ist voll eingeschlagen, galoppiert nach links durch und
verschwindet im Unterholz. Der Spanier hat Glück, weder er selbst noch sein Rad
sind kaputt. Er springt wieder auf und fährt weiter. Das hat er souverän
gelöst. Ich frage ihn noch mal schnell, ob er wirklich Spanier ist, was er
bejaht. Wir lachen und es geht weiter. Eigentlich war das gerade kein Scherz,
aber es ist noch mal gut gegangen. Leider war der Akku bei der GoPro schon
alle, sonst könnte ich meinen ersten ganz großen YouTube-Erfolg landen. Nach
der folgenden Abfahrt kommt der letzte Anstieg, der die 2900 Höhenmeter von
heute komplettiert. Auf der ersten Hälfte zeigt Immanuel großen Kampfgeist. Wir haben
ein ziemliches Tempo drauf und überholen wieder einige Teams. Leider geht es meinem
Bruder im holprigen zweiten Teil des Berges nicht mehr besonders gut und wir
müssen alle wieder passieren lassen. Die letzte Abfahrt ist ein Genuss mit
tollen Trails und Anliegern am Ende. Leider geht es bei Immanuel hier nicht
wirklich schnell voran, aber zumindest ich kann es genießen. Wir erreichen das
Ziel nach 110 Kilometern auf Gesamt-Platz 41. Nicht schlecht - das hätte ich
heute nicht für möglich gehalten. Ich bin stolz auf meinen Bruder, dass er sich
bei der Bullenhitze heute so durchgebissen hat. Jetzt heißt es noch einmal
regenerieren für die letzten zwei Etappen. Das Schlimmste sollten wir hinter
uns haben, allerdings gibt es beim Cape Epic wohl keine leichten Etappen.
Warten wir’s ab, was der morgige Tag bringt …
Waaaaaahnsinn!!!!!!
AntwortenLöschenJungs, Euer Abenteuer fesselt uns Tag für Tag ein Stück mehr!
AntwortenLöschenDanke für die Lektüre.
Ihr schafft das. Ride on!